Eine Woche wohnen

Erding I 12.02.2019

Welche Bedeutung hat Wohnen? Wie möchte ich selbst im Alter wohnen? Wie muss eine Wohnung im Fall von Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Demenz umgestaltet werden? Diese und viele andere Fragen standen bei der Projektwoche „Wohnen" auf dem Stundenplan der Klasse AP 16 der Berufsfachschule für Altenpflege der Schwesternschaft München vom BRK e. V. an der Bajuwarenstraße. Nach einer Woche theoretischem Input, angeregten Diskussionen und Arbeitsgruppen rund um ‚normales und ungewöhnliches' Wohnen, wollten sich die 23 jungen Frauen und Männer selbst ein Bild machen.

Selbstbestimmt wohnen trotz Beatmung
Die Exkursion führte die Klasse zunächst in die ambulant betreute Wohngruppe für Intensivpflege Lindenhof in Simbach am Inn. Dort leben vor allem tracheotomierte und beatmete Patienten in einer Wohngemeinschaft. Betreut werden sie dabei von qualifizierten Pflegekräften - aber eben nicht in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, sondern in einem Privathaus. Weitgehend selbstbestimmt, und vor allem innnerhalb der eigenen vier Wände, wohnen hier Menschen, die an neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose und Parkinson oder an schweren Atemwegserkrankungen, vor allem an chronisch-obstruktiver Bronchitis, leiden. Die meisten wurden nach langwierigen Intensivbehandlungen in Akutkliniken mit dem sogenannten Tracheostoma (einer Kanüle in der Luftröhre) in die ambulante Versorgung entlassen. Thomas Koch, Pflegedienstleitung und Fachkrankpfleger für Anästhesie und Intensivpflege erzählt: „Etwa 60 bis 70 Prozent der Patienten, die auf Akut-Intensivstationen nicht von der Beatmung entwöhnt wurden, können doch noch ein erfolgreiches Weaning erreichen, wenn sie in einem spezialisierten Zentrum wie bei uns betreut werden". Lehrerin Kerstin Sievers ergänzt: „Unter Weaning versteht man die Entwöhnung eines beatmeten Patienten vom Beatmungsgerät. Eine Entlassung mit Tracheostoma ist ein Riesenproblem, denn die erforderliche Überwachung rund um die Uhr ist nicht nur kostspielig, sondern mindert die Lebensqualität massiv." Deshalb setzt das interdisziplinäre Team in Zusammenarbeit mit ambulanten Fachärzten hier vor Ort alles daran, ihre Patienten von der Beatmung zu entwöhnen. Die Altenpflegeschüler zeigten sich sehr inspiriert vom Besuch des Lindenhofs und hätten sich am liebsten selbst engagiert, um die Wohnsituation noch gemütlicher und ansprechender zu gestalten.

Hausgemeinschaften im Seniorenheim
Gut gestärkt nach dem Mittagessen in einer Pizzeria stand eine weitere alternative Wohnform auf dem Programm: das BRK-Seniorenhaus Emmertingen. Dort leben Senioren in Hausgemeinschaften mit maximal zwölf Personen zusammen. Mittelpunkt ist jeweils der großzügige Wohn- und Küchenbereich, in dem alle Mahlzeiten gemeinsam frisch zubereitet und verspeist werden. Einrichtungsleiterin Hilde Hahn erzählte. „Wer möchte, zieht in angelegten Hochbeeten Blumen und Gemüse, kümmert sich um die Kleintiere im Gehege oder beteiligt sich an Ausflügen, Festen oder Veranstaltungen." Durch das Wohnkonzept „wie daheim" bleibt der frühere Alltags- und Tagesrhythmus erhalten. Gerade auf Menschen mit Demenz wirken die vertrauten Aktivitäten und überschaubaren Räumlichkeiten beruhigend und sinnstiftend. Beim gemeinsamen Kaffeeklatsch mit selbstgebackenem Kuchen wollten dann auch die Schüler wissen, wie gut es den Senioren in Emmerting gefällt. Zurück in Erding, flossen die Antworten der Bewohner in die Reflexion zur Projektwoche ein. Einig waren sich die angehenden Altenpfleger auf jeden Fall darin, dass selbstbestimmte, alternative Wohnformen das Angebot konventioneller Seniorenheime ergänzen kann.

Lernfeld Wohnraumgestaltung
Die dreijährige Altenpflegeausbildung ist vielseitig und umfasst nicht nur spezielle Pflegegrundlagen. Ein Lernfeld nennt sich ‚Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstützen'. Es erstreckt sich von den Bereichen Haushalt und Ernährung über die Wohnraumanpassung und Hilfsmittel für ein sicheres Wohnumfeld bis hin zu Veranstaltungsangeboten und Festen.


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